18 SONNTAG im Jahreskreis

Evangelium nach Matthäus (14,13-21)

 

Man muss sich das vorstellen: Die größte Breite des Sees Genezareth in Israel beträgt zwölf Kilometer. Die Menschen hatten gesehen, dass Jesus mit dem Boot zum gegenüberliegenden, östlichen Ufer des Sees fuhr. Sie nahmen einen gewaltigen, kilometerweiten Fußmarsch auf sich, um auf der Uferstraße dorthin zu gelangen, wo er ankam. So groß waren ihr Interesse und ihre Begeisterung für Jesus. Wer war er für sie? Was erwarteten sie von ihm? Können Sie sich vorstellen, dass so viele Menschen heute sich solche Mühe machen, zu Jesus zu kommen?

Wir dürfen auch nicht vergessen unter welchen gesellschaftlichen Bedingungen das alles geschah. Das Land gehörte zum riesengroßen römischen Reich. Es war dadurch wirtschaftlich ein gemeinsamer Markt entstanden, was einerseits die intensivsten Entwicklungen in Handel, Landwirtschaft und Städtebau hervorrief. Andererseits führte das zu verschärftem Konkurrenzdruck durch überregional agierende Großhändler, dem Kleinbauern und Handwerker oft nicht standhalten konnten. Es kam zu massenhafter Verschuldung, Landverlust, Schuldsklaverei, Tagelöhnertum im Dienste von Großgrundbesitzern usw. Dazu hatten die Römer auch noch eine Kopfsteuer angeordnet. Es gab politische Unterdrückung. Ganz schnell kam man unter den Verdacht, staatsfeindlich zu sein und Kreuzigungen wurden schnell durchgeführt. Die Kreuze säumten die Wege. Lesen wir die Evangelien mit dem Wissen um diesen Hintergrund, dann können wir ahnen, wie viel diese einfachen Menschen von Gewalterfahrungen, Hunger und Verelendung zu erzählen hatten. Es herrscht ein Klima der Angst. Existenzangst.

Jesus hat diesen Menschen etwas zu sagen. Er spricht ihre Sehnsüchte und Hoffnungen an. Sie sind unterdrückt. Sie sind größtenteils sehr arm. Sie leben in vielen Zwängen. Von Jesus hören sie, wie wertvoll sie trotzdem sind. Sie hören von Jesus, dass sie von Gott unendlich geliebt sind. Sie sind wer. Und Jesus sättigt ihren physischen und geistigen Hunger. Er erzählt ihnen, dass Gott ihnen ein Leben in Fülle schenken will, und er illustriert das durch ein so genanntes Speisewunder. Mit fünf Broten und zwei Fischen machte Jesus eine ganze Menschenmenge, fünftausend Männer, dazu noch Frauen und Kinder satt. Zwölf Körbe bleiben übrig. Gott schenkt Leben in Fülle. Dazu gehört Gesundheit, dazu gehört, dass sie geliebt werden, auch in einem Klima der Angst. 

Aber in dieser Erzählung gibt es noch ein paar auffällige Details. Das Gebet Jesu über die fünf Brote und die zwei Fische ist fast gleich lautend mit den Segensworten Jesu über Brot und Wein beim Letzten Abendmahl: Er blickte auf zum Himmel, sprach den Lobpreis, brach die Brote und gab sie ihnen. Werden wir nicht in jeder Eucharistiefeier daran erinnert? Will Jesus nicht auch unseren Lebenshunger sättigen?

Und nicht nur das. Jesus gibt das gebrochene Brot seinen Freunden, den ersten Christen, und sagt zu ihnen: „Gebt ihr ihnen zu essen!“ Sie sollen das wenige, das sie haben - fünf Brote und zwei Fische - mit den vielen teilen und dadurch werden sie Wunder wirken. Wo wir bereit sind zu teilen, und damit Liebe weiterzuschenken, damit auch andere menschenwürdig leben können, dort entsteht Leben in Fülle, physisch und geistig. Gebt ihr ihnen zu essen. Wo wir - mit Gott und Jesus zusammen - Not beseitigen, erfüllen wir unsere Aufgabe als Christen.

Hier werden wir wieder einmal daran erinnert, dass Christsein nicht an erster Stelle heißt, dass wir an bestimmte Glaubenswahrheiten glauben, sondern dass wir das, was Jesus gesagt und vorgelebt hat, auch tatsächlich selbst leben und praktizieren. Christsein ist eine Lebensweise im Sinne von Jesus Christus.

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